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Fibel

Europäischer Kulturpark Reinheim


Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0438
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Fibel
weitere Objektbezeichnung:
Tierfibel/Hähnchenfibel (Kopie)
Sachgruppe:
Kleidung (Zubehör, Fibeln)
Technik:
Maße:
Gesamt: H: 3,3 cm, L: 6,4 cm

Beschreibung

Kopie der Tierfibel/Hähnchenfibel der keltischen Fürstin von Reinheim aus der Frühlatènezeit.

Zum Grab der keltischen Fürstin:
Im Jahre 1954 wurde in Reinheim im Bereich des am Fuße des "Homerich" im Tal gelegenen sogenannten "Katzenbuckels" das Hügelgrab mit der Grablege einer keltischen Fürstin gefunden und ergraben [1 (A)]. Zusammen mit zwei unmittelbar benachbarten Großgrabhügeln [2 (B), 3 (C)] und weiteren Bestattungen im Bereich der späteren römischen Villa (Fluren "Allmend" und "Auf dem Sand") bildet es eine große eisenzeitliche Nekropole, welche von der Hallstatt- (8. bis 5. Jh. v. Chr.) bis in die Latènezeit (5. bis 1 Jh. v. Chr.) genutzt wurde und somit eine Belegungszeit von ca. 500 Jahren aufweist. Das Grab der Keltin - aufgrund der Beigaben (beidseitiges Tragen von Armringen und fehlende Waffen) ist die Grablege als Frauengrab gesichert - gilt als das bisher wohl reichste Fürstinnengrab der Frühlatènezeit in Mitteleuropa. Die Fürstin wurde gegen 370 v. Chr. bestattet.
Der Grabhügel war ehemals durch einen 0,60 m breiten und 0,40 cm tiefen Kreisgraben von 20 m Innendurchmesser begrenzt, welcher den heiligen Bezirk der Grabstätte von der profanen Außenumgebung abtrennte. Die noch durch Holzspuren nachweisbare, einen halben Meter in die Erde eingetiefte Eichenholzkammer von 3,5 x noch 2,70 m Größe wurde ehemals durch einen aus Erde und Rasensoden aufgeschütteten Grabhügel von 23 m Durchmesser und ca. 5 m Höhe geschützt (weithin sichtbares Grabmonument). Ihre Höhe wird mit ca. 0,90 bis 1,20 m rekonstruiert. Das Skelett war aufgrund der Kieselsäure im anstehenden Sandboden vollständig vergangen - der Befund ließ sich aufgrund der Position von den reichen Schmuck- und Trachtelementen (Hals- und Armringe) genau ermitteln: Die Tote war in NNW(Kopf)-SSO-Orientierung in gestreckter Rückenlage bestattet worden. Neben Goldscheibenfibeln gehört auch eine Tierfibel zu den Funden.

Zur Fibel:
Einige Zentimeter unterhalb der rechten Hand der Fürstin (Beckenbereich) lag eine bronzene Tierfibel; ihre Funktion an dieser Position ist nicht eindeutig zu bestimmen (das Gewand und das Leichentuch wurde von einer Goldscheibenfibel zusammengehalten).
Die Fibel ist 6,4 cm lang und 3,3 cm hoch. Die Fibel in Armbrustkonstruktion ist als vollplastische Figur eines Hahns gestaltet, wobei die über eine bronzene Achse gewundene Spirale mit oberer Sehne unter dem Schwanzansatz befestigt ist, der Nadelhalter unter der Brust. Auf die Angabe von Beinen wurde verzichtet. Der Körper ist aus Bronze gegossen und die Oberfläche zur Angabe des Gefieders filigran nachziseliert. Die Augen, die Flügel, der Kamm sowie der abgebrochene Kehllappen sind durch rote Koralleneinlagen dargestellt; eine über dem Schwanzende angebrachte Perle besteht ebenfalls aus Koralle. Die Rekonstruktion des Objekts zeigt auf den beiden Enden der Spiralachse weiße Perlen aus Bein, gesichert durch kleine Korallenperlen, welche allerdings aufgrund des Originalbefundes nicht eindeutig gesichert sind. Die Spiralkonstruktion ist bei der Restaurierung durch das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz wieder mit dem Fibelkörper zusammengefügt worden.
Die Gestaltung eines gesamten Fibelkörpers als Tier- oder Menchenfigur lässt sich zuerst in Mittelitalien (Stufe Villanova II) und Norditalien (Golasecca I und Este II) nachweisen. In der frühen Hallstattzeit weitete sich die Verbreitung der Tierfibeln in den Alpenraum aus, in der beginnenden La-Tène-Zeit in den Raum nördlich davon.

Zu Tierfibeln:
"Nach ihrer Konstruktion sind die Tierfibeln in drei Gruppen zu gliedern: Tierfibeln mit einseitiger Spirale, Tierfibeln mit doppelseitiger Spirale und Tierfibeln mit Armbrustkonstruktion. [...] Weitaus am häufigsten ist ein Vierfüßler, der oftmals eindeutig als Pferd zu erkennen ist [...]. Unverwechselbare Hundefiguren kommen ebenfalls vor. Die nächste Gruppe besteht aus Vogeldarstellungen. Manchmal ist ein Raubvogel im Flug wiedergegeben, manchmal ein Wasservogel zu erkennen; die gegenständliche Wiedergabe eines Hahns bei der Reinheimer Fibel steht einzig da. Kleinere Gruppen bilden Eberfiguren, Menschen, Delphine und Widder." (Echt) Während die älteren Fibeln (Italien und südlicher Alpenraum, [Villanova II B, III, Este II, Golasecca I]) eine einseitige Spirale aufweisen, besitzen die jüngeren (nördlicher und südöstlicher Alpenraum, [Stufe Hallstatt D], Bayern, Böhmen, Thüringen [Ha D, La-Téne A], schließlich auch Mähren, Schlesien und glgt. westlich des Rheins) Armbrustkonstruktionen.
U. Binding bezeichnet Tierfibeln mit Vogelmotiv als Typ 10. Das Motiv eines Hahns scheint auf griechische Vorbilder (Vasenbilder, Statuetten, Schmuckanhänger) zurückzugehen. Hier war das Tier mit dem Totenkult, (ab dem 8. Jh. v. Chr.), mit der Brautwerbung (ab dem 6. Jh. v. Chr.) und - auch bei den Etruskern - mit Symposien und Banketten verbunden.

Bei dem museal dauerhaft ausgestellten Stück handelt es sich um eine Kopie. Das Original ist im Saarbrücker Museum für Vor- und Frühgeschichte ausgestellt.

Literatur

Reinhard, Walter: Die keltische Fürstin von Reinheim, Blieskastel, 2004, S. 53-61, Abb. Nr. 75
Reinhard, Walter: Kelten, Römer und Germanen im Bliesgau (=Denkmalpflege im Saarland, 3), Reinheim, 2010, S. 178-198, Abb. Nr. 176
Echt, Rudolf: Das Fürstinnengrab von Reinheim. Studien zur Kulturgeschichte der Früh-La-Tène-Zeit (=Blesa - Publication du Parc archeeologique europeen de Bliesbruck-Reinheim, 2), Bliesbruck-Reinheim, 1999, S. 64-72, Abb. Tafel 14, 4
Binding, U.: Studien zu den figürlichen Fibeln der Frühlaténezeit (=Univforsch. Prähist. Arch., 16), Bonn, 1993