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Statuette des Mars

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0399
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Statuette des Mars
weitere Objektbezeichnung:
Torso-Fragment einer Mars-Statuette aus Terrakotta
Material:
Ton (gebrannt)
Technik:
in die Form gedrückt (gebrannt)
Maße:
Gesamt: H: 4 cm

Beschreibung

Fragment einer Mars-Statuette.

Von der Statuette ist lediglich ein ca. 4 cm hohes Torso-Fragment aus Terrakotta erhalten, dessen Oberfläche zudem bis zu einem bestimmten Grad abgerieben ist. Zu erkennen sind der Brust- oder Muskelpanzer (Thorax) eines hohen Offiziers, der Militärgürtel (Cingulum Militare), ein mit Metallplätchen besetzter, über die Hüften getragener Ledergürtel, an dem vorne seit der nachaugustäischen Zeit ein Schurz aus vier bis acht ebenfalls mit Metallbeschlägen versehene Lederstreifen angebracht waren (Symbol des Soldatenstandes - es wurde im 1. Jh. n. Chr. im römischen Heere eingeführt, war jedoch ursprünglich gallischer Herkunft), wahrscheinlich die Spitze der Scheide des Kurzschwertes (Gladius) und der Saum des Untergewands (Tunica). Die Beine sind nur im oberen Ansatz bis etwa zu den Knien erhalten.

Die Rüstung der ehemaligen Statuette verweist auf den römischen Kriegs-Gott Mars.

Mars (auch Mamars, Marspiter, latin. Mavors, etrusk. Maris) war neben Jupiter einer der wichtigsten Götter in der antiken italischen/römischen Religion. Ursprünglich wurde er als Vegetationsgott (Mars Silvanus) verehrt, denn gewisse Einzelheiten in seinem Kult weisen darauf hin, dass er als Agrargottheit vor allem mit dem Gedeihen der Vegetation und des Lebens insgesamt verbunden wurde: Er spendete Menschen, Tieren und den Feldern Fruchtbarkeit und Gesundheit, war aber auch für Unheil und Verwüstung derselben verantwortlich. Im Folgenden erfuhr er eine Gleichsetzung mit dem griechischen Kriegsgott Ares, unterschied sich von diesem aber durch seine größere Bedeutung und die lebhaftere kultische Verehrung. Unter griechischem Einfluss wurden auch mythologische Erzählungen über den Gott analog zu Ares konstruiert; demnach sei er Sohn der Juno und mit Venus (Aphrodite). liiert gewesen. Infolge der Transformationen und Verschmelzungen wurde für ihn in Rom ein komplexes "Persönlichkeitsbild" mit wilden und friedlichen Zügen entwickelt: Vor den Reformen des Marius war das römische Heer ein reines Bürgerheer, das von den beiden Censoren alle fünf Jahre ausgehoben wurde. Der Gott Mars war demnach nicht mit einer reinen Kriegerkaste, sonder mit den wehrhaften Bürgern Roms, welche oftmals zugleich Bauern waren, verbunden gewesen. Aus der Mischung zwischen Agrararbeit und Heeresdienst, also Krieg und Frieden, lässt sich die komplexe Gestalt des Mars begreifen.
Als Kriegsgott begleitete er die Soldaten in die Schlacht und führte in dieser Funktion den Beinamen Gradivus. In Rom bildete Mars zusammen mit Jupiter und Quirinus eine Göttertrias. Specht, Pferd, Stier, Greifvögel, Geier, Hahn, Wolf, Ziege sowie das Gras waren ihm heilig. Im keltischen Raum wurde Mars mit zahlreichen einheimischen Göttern identifiziert.
In der Gründungslegende Roms ist Mars der Vater der Zwillinge Romulus und Remus und somit Stammvater und Schutzherr der Römer und ihres Staates. Die zahlreichen Siege des aufstrebenden römischen Reiches wurden seiner Hilfe zugeschrieben.
Der Monat März, bei den Römern als Beginn des Agrarzyklus (Austreibung des Winters) ursprünglich der erste Monat des Jahres, war dem Mars geweiht und nach ihn benannt. In diesem Monat fanden auch Festivitäten zu Ehren des Mars statt.
Nach Mars wurde auch der heute zweite (ursprünglich dritte) Wochentag "Martis dies" genannt ("Tag des Mars" - ital. martedi, franz. mardi).
Das Attribut des Mars ist die Lanze, gezeigt wird er auch mit Helm und Schild sowie Schwert. Dargestellt wurde er entweder als junger, kräftiger Mann in Rüstung oder stadtrömisch als bärtig-väterlicher Soldat.

In der Kaiserzeit war sein Kult stark verbreitet und fand auch Aufstellung in den Lararien (Hausaltären) der Privathäuser. Das Fragment der vorliegenden, ursprünglich wohl ca. 12 cm. hohen Statuette dürfte in einem solchen Lararium der Villa gestanden haben. Das Fragment lässt sich nur allgemein in die römische Kaiserzeit bzw. die Nutzungsphase der Villa rustica von Reinheim (2. H. 1. Jh. bis 3./(4.) Jh. n. Chr.) datieren.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen. Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013