Möbelscharnier.
Bei dem Objekt handelt es sich um ein 10 cm langes und etwa 2,5 cm im Durchmesser messendes Möbelscharnier aus Knochen. Der hohle runde Stab besitzt zwei gebohrte Lochungen und auf seiner Außenseite eine doppelte Ritzlinie. Er ist sehr gut erhalten, lässt sich jedoch nur allgemein in die römische Kaiserzeit bzw. die Nutzungsphase der Villa rustica von Reinheim (2. H. 1. Jh. bis 3./4. Jh. n. Chr.) datieren.
Das Scharnier wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der pars rustica (Nebengebäude B2) der Villa gefunden und stammt vermutlich von einem Möbelstück. Während das Holz des Möbels vergangen ist, sind Metall- und Knochenteile dieser Art oftmals noch erhalten. Dienten die Nebengebäude generell zu Wirtschaftszwecken, lässt das Vorhandensein von Möbeln und Truhen mit Scharnieren im Rückschluss jedoch auf eine zusätzliche Wohnfunktion (für Angestellte der Villa) schließen.
Tierknochen waren harte und gut geeignete Materialien, die in Siedlungen in großen Mengen vorhanden und gut bearbeitbar waren. Wurden sie bereits seit der Steinzeit für Pfeilspitzen, Harpunen, Messer, Schaber und Schmuckstücke verwendet, entwickelte sich aus diesem Handwerk bis in die römische Zeit ein vielseitiges Gewerbe: die Beinschnitzerei. Die Nutzungsmöglichkeiten der Knochen waren vielfältig: es wurden daraus Schmuck, Messergriffe, Kämme, Schreibgeräte, Spielsteine, Möbelbeschläge und -scharniere und vieles mehr hergestellt.
Zur Wiederverwertung gelangten vor allem die stabilen Langknochen größerer Tiere wie Rinder und Pferde. Nebst dem Schnitzen und Dechseln fand auch das Drehen auf der Drechselbank Verwendung.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).