Faltenbecher mit Griesbewurf.
Der steilwandige und nur leicht bauchige Becher besteht aus Terrakotta und hat bei einer Höhe von 12,8 cm im oberen Drittel der Wandung einen Durchmesser von etwa 10,5 cm. Die Oberfläche der durch sechs Dellen eingedrückten Außenseite trägt bis unter den oberen Rand einen Griesbewurf. Der unterschnittene Rand ist kurz und setzt sich mit einer Rille vom Bauch ab. Das aus mehreren Scherben zusammengesetzte Exemplar ist in vorliegender Restaurierung gut erhalten.
Römische Falten- und Dellenbecher kamen im 1. Jh. n. Chr. auf und erfuhren im folgenden Jahrhundert eine starke Verbreitung. Sie dienten als Trinkgefäße und basieren auf verschiedenen Grundformen, vor allem dem bauchigen, ovalen oder steilwandigen Becher. Sie sind oftmals mit umlaufenden Rillen, Ritzungen, Applikationen oder - wie bei vorliegendem Exemplar - mit Griesbewurf verziert.
Der Faltenbecher wurde 1988 im Bereich des dem Mitteltrakt im 2. Jh. n. Chr. nach Norden vorgelagerten Wasserbeckens gefunden. Da das Becken, vermutlich nach einem Brand des Hauptgebäudes, bereits zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. wieder aufgegeben und mit Bauschutt verfüllt wurde, darf die Datierung des Bechers in das Ende des 2. oder den Anfang des 3. Jh. n. Chr. als gesichert gelten.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden (je sechs pro Seite). Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.