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Schrumpfkopf

Abenteuermuseum Saarbrücken


Herstellung: um 1960 hergestellt/erworben
in: Ecuador

Merkmale

Inventarnummer:
2007AMS211
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Schrumpfkopf
weitere Objektbezeichnung:
Tzantza, Tsantsa
Sachgruppe:
Andere Religionen (Gegenstände und Hilfsmittel ritueller Praktiken in den indianischen Religionen)
Material:
Rohhaut
Federn
Naturfaden
Technik:
Rohhautbearbeitung (Gesichtshaut gekocht
geschrumpft
geräuchert
geglättet)
Maße:
Gesamt: H: 12 cm (Kopf)

Beschreibung

Schrumpfkopf (Tzantza od. Tsantsa) mit langen, schwarzen Haaren; Mund und Augen sind verschlossen zum Schutz gegen Blicke des Getöteten, die in der Vorstellung der Indianer den Betrachter bzw. den Hersteller der Trophäe schaden konnten; eine rote Feder ist rechts vom Kopf befestigt.
In Zusammenhang mit der Schrumpfkopferbeutung und -herstellung stand der "Schutzseelenglaube" der Jívaros: Eine Grundvorstellung der südamerikanischen Waldindianer war, daß unser gewöhnliches Leben nur eine Illusion darstellt, hinter der sich die Realität der Träume versteckt. Im östlichen Andenvorland, wo die Jívaros, die Rox besuchte, lebten, war dies wohl die wichtigste religiöse Idee überhaupt. Die wahre Erscheinung der Dinge hinter unserer Scheinrealität wurde mit Hilfe halluzinogener Drogen zugänglich. Sie vermittelten Visionen von mächtigen Vorfahren, von denen man Seelenkraft bzw. Schutzseelen erhielt. Hiermit war früher auch die Kopfjagd ideologisch verbunden: Die Seelenkraft erhöhte sich durch Töten von Menschen. Tötete man nun im Krieg einen Mann mit starker Seelenkraft, so trat aus dessen Mund eine besondere Racheseele aus, die durch das Schrumpfen des Kopfes in ihrer Macht vermindert und durch das Zubinden des Mundes des Toten eingesperrt werden sollte. Auch von der Tsantsa ging noch Seelenkraft aus, die man sich aber nun nutzbar machen konnte. So fand dieser Verwendung bei Krankenheilungsriten, oder z.B. beging der erfolgreiche Kopfjäger mit dem Schrumpfkopf um den Hals die Felder, um deren Fruchtbarkeit zu fördern. Das Schrumpfen des Kopfes galt als eine furchtbare Beleidigung des Opfers, und aus diesem Grund als besonders geeignete Krönung der Blutrache. Wurde ein Jívaro getötet, so verlangte seine weiterlebende Seele nach Rache und verfolgte ihre Verwandte mit Unglück, wenn sie der Rachepflicht nicht nachkamen. Deshalb zogen die Verwandten auf Blutrache aus, und wenn sie dann einen Gegner getötet hatten, so zeigten sie beim Siegesfest den Schrumpfkopf auch deshalb vor, damit die Seele des eigenen Verwandten sah, daß sie gerächt worden war. Die Tsantsa war also letztlich etwas Ähnliches wie unsere Votivbilder: Die sichtbare Dokumention dafür, daß man einer religiösen Verpflichtung genügt hat. Die Verpflichtung zur Blutrache trat nicht nur bei Mord ein, sondern auch dann, wenn ein Jívaro an einer Krankheit starb, die nach Ansicht seiner Verwandten durch bösen Zauber verursacht worden war. (Vgl. Museum für Völkerkunde/Frankfurt a.M. 1977)

Literatur

Rox-Schulz, Heinz: "Manuskript II. Die Abenteuer des Mr. Rox. Vom Gran Chaco bis Caracas", S. 572f., 576f., 584, 586-590
Rox-Schulz, Heinz: Verrückter Gringo. Ein südamerikanisches Abenteuer., Baden-Baden: Signal Verlag Hans Frevert, 1971, S. 183-186
Siebeck, Fred C.: Ein Schrumpfkopf für die Seele. Shuar-Kopfjäger in Ecuador, in: Merian. Inkastaaten: Peru, Ecuador, Bolivien, Hamburg: Hoffmann & Campe, 12/1977
Dezernat für Kultur und Freizeit der Stadt Frankfurt am Main/Museum für Völkerkunde (Hrsg.): Roter Faden zur Ausstellung. Schrumpfkopfmacher. Jíbaro-Indianer in Südamerika, Frankfurt a.M., 1977, S. 227-231
Lindig, Wolfgang / Mark Münzel: Die Indianer. Kulturen und Geschichte der Indianer Nord-, Mittel- und Südamerikas, München: Deutscher Taschenbuchverlag GmbH & Co.KG, 1978, S. 452
Cotlow, Lewis: Wilde Paradiese, München/Eßlingen: Bechtle Verlag, 1969, S. 156f.