Emailscheibenfibel mit beweglicher Tierplastik (Backenscharnierfibel).
Die Fibel wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der Villa rustica in Reinheim gefunden.
Das vorliegende Exemplar gehört zu einem recht einheitlichen Typ von emaillierten Backenscharnier-Scheibenfibeln, die aus einer kreisrunden, in zwei bis drei Ringfelder unterteilten Scheibe mit zwei einander gegenüberliegenden Fortsätzen bestehen und in der Mitte der Scheibe - auf einem senkrechten Niet drehbar aufgesteckt - eine kleine Plastik in Form eines stilisierten Tieres tragen. Im vorliegenden Fall ist dies ein Fisch. Je zwei lunulaförmige Felder, die ein dreieckiges bzw. trapezförmiges Feld einschließen und von einer Rundel gekrönt sind, bilden die beiden Fortsätze. Die drei durch mitgegossene Stege voneinander getrennten Ringfelder der zentralen flachen Scheibe und sämtliche Flächen der Fortsätze waren mit verschiedenfarbenen Emailfeldern (schwarz, weiß, rot) belegt. Die drehbare Plastik war in runden Grübchen ebenfalls mit Email gefüllt (Fisch-Schwanz).
Die Fibeln dieses Typs erfreuten sich (nach Riha und Exner) während der 2. Hälfte des 2. und in der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. großer Beliebtheit und fanden weite Verbreitung in Britannien, Gallien, den germanischen Provinzen, Raetien, Italien und Pannonien. Als Herstellungsorte dürfen - wie für andere Emailfibeln - Werkstätten im Rheinland und in Nordgallien vermutet werden.
Das Objekt weist Korrosionsspuren auf - die Nadel ist abgebrochen, aber erhalten. Die Fibel ist mitsamt dem Nadelhalter und dem Scharnier sowie einem großen Teil der Emaileinlagen gut erhalten.
Die Fibel entspricht dem Typ Riha 7.15 (Fibel mit beweglicher Tierplastik), Nr. 1626; genereller: Exner, Gruppe III; Heynowski, Typ 4.2.1.1.
Bei Fibeln handelt es sich um Gewandspangen - mit ihnen wurden in der Antike Gewänder zusammengehalten. Sie gehörten sowohl bei Frauen als auch bei Männern zur alltäglichen Tracht und fanden dementsprechend allgemeine Verbreitung. Über ihre rein praktische Funktion hinaus waren sie in ihren stilistischen Ausformungen nach Typ und Aussehen wechselnden Modeerscheinungen unterworfen, weshalb sie sich sehr gut zur Datierung entsprechender Fundschichten und Fundzusammenhänge eignen.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).