Zierscheibe, Bronzebeschlag.
Bei dem vorliegenden Objekt handelt es sich um einen bronzenen Beschlag für ein Lederteil, vermutlich um die Zierscheibe eines Pferdegeschirrs. Der kreisrunde Beschlag hat einen Durchmesser von ca. 4 cm und ist auf seiner Ansichtsseite (Oberseite) durch einen mittleren Wulst in der Art eines Schildbuckels und einen erhabenen Ring gegliedert/reliefiert. Auf der Rückseite sitzt mittig ein stilartiger Fortsatz an, welcher ursprünglich zur Befestigung am Ledergeschirr diente.
Zum Anschirren mittels Geschirr:
"Anschirren" bedeutet: einem Zugtier das Geschirr anlegen (= "anspannen") und meint die Verbinden eines Zugtieres mit dem zu ziehenden Gefährt (Wagen, Schlitten) oder Arbeitsgerät. Das Anspannen ermöglichte die Nutzung der tierischen Energie für die Zugleistung, sei es für den Transport von Personen oder Gütern oder bei der Bodenbearbeitung, z.B. beim Pflügen oder Eggen. Es gab (und gibt) mehrere Arten der Anspannung - gängig war in römischer Zeit die Jochanspannung mittels eines Widerristjochs und/oder durch Jochgabel sowie Hals- und Brustgurt. Sie ist schon seit dem Neolithikum bekannt und hat sich bis in die jüngste Zeit erhalten. Die Zugkraft wurde hierbei im Wesentlichen von der Widerristpartie des Tieres abgenommen und über die Deichsel auf das Gefährt übertragen. Erst das entwicklungstechnisch jüngere Kumt oder Kummet und das Sielengeschirr (in Europa erst seit dem Mittelalter: ca. 1000 n. Chr.) machten die Abnahme der Zugkraft in Höhe der Schulter und die Kraftübertragung über Zugstränge auf das Gefährt - meist unter Zwischenschaltung eines Zugholzes (Ortscheit, Waage) möglich. Hauptbestandteile eines Geschirrs waren Leder und Metallteile. Zur Ausschmückung konnten Zierbänder, Applikationen und Beschläge Verwendung finden.
Der Bronzebeschlag wurde im Jahr 2005 im Wirtschaftshof (pars rustica, Nebengebäude B8) der römischen Villa von Reinheim gefunden. Das Gebäude diente im 2./3. Jh. n. Chr. höchstwahrscheinlich als Wohnung eines Gutsverwalters (Wohnluxus mit beheiztem Raum und Bad).Er lässt sich nur allgemein in die Römische Kaiserzeit bzw. die Nutzungszeit der Villa datieren (1. H. 1. Jh. bis 4. Jh. n. Chr.).
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).