Hülsenspiralfibel ("Langton-Down"-Fibel).
Bei Hülsenspiralfiben sind Fibelkörper und Spirale getrennt gefertigt. Ihre Verbindung wird durch eine röhrenförmige Hülse am Bügel-/Halsende hergestellt: die Spirale ist in die walzenförmige Spiralhülse eingeschlossen, wobei die Hülse so eng um die Spirale liegt, dass diese ihre Federwirkung auf die Nadel ausüben kann.
Bei dem vorliegenden Exemplar dürfte es sich um eine sog. "Langton-Down"-Fibel handeln (Riha 4.4). Die Hauptmerkmale dieses Typs sind: ein flacher, bandförmiger, längsgerillter oder -geriefter, nur leicht gewölbt verlaufender und bis zum Fußende meist relativ gleich breiter Bügel, der dicht an der Spirale abknickt und am Fussende gerade abgeschnitten ist, eine walzenförmige Spiralhülse, auf der der Bügel mehr oder weniger flach aufsitzt, und ein rahmenförmig durchbrochener oder durch Stege unterteilter dreieckiger Nadelhalter. Die Spiralhülse bleibt meistens unverziert.
Die Fibel dürfte der Riha-Variante 4.4.6 entsprechen: Der massive und gerade Bügel ist am Hals scharf geknickt. Seine längsprofilierte Verzierung besteht aus einem gewellten Silberfaden, der in einer tiefen Bügelrinne eingelassen ist. Der dreieckige Nadelhalter ist rahmenförmig durchbrochen bzw. die Öffnung durch einen dünnen Steg unterteilt.
Die Fibel wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der Villa rustica in Reinheim gefunden.
Das Objekt weist Korrosionsspuren auf ?? die Hülsenspirale ist beschädigt. Ansonsten ist die Fibel mitsamt der Nadel gut erhalten. Sie entspricht dem Typ Riha 4.4.6, etwa Nr. 524; Ettlinger, Typ 23; Heynowski, Typ 3.29.1. und ist in die ältere Kaiserzeit (Anfang 1. Jh. n. Chr.) oder früher zu datieren. Ihr Verbreitungsgebiet sind die gallischen und germanischen Provinzen sowie Britannien.
Bei Fibeln handelt es sich um Gewandspangen - mit ihnen wurden in der Antike Gewänder zusammengehalten. Sie gehörten sowohl bei Frauen als auch bei Männern zur alltäglichen Tracht und fanden dementsprechend allgemeine Verbreitung. Über ihre rein praktische Funktion hinaus waren sie in ihren stilistischen Ausformungen nach Typ und Aussehen wechselnden Modeerscheinungen unterworfen, weshalb sie sich sehr gut zur Datierung entsprechender Fundschichten und Fundzusammenhänge eignen.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).