Anschirr-Bügel.
Bei dem ca. 12 cm langen Objekt handelt es sich um einen U-förmig geformten Eisen-Bügel, der vermutlich als Anschirr-Bügel eines Sattels bzw. eines Nutztiergeschirrs diente. Er wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich des Wirtschaftshofes (pars rustica/Nebengebäude) der römischen Villa von Reinheim gefunden, kann allerdings nur allgemein in die Römische Kaiserzeit bzw. die Hauptnutzungsphase der Villa datiert werden: 2. H. 1. Jh. bis Mitte 4. Jh. n. Chr.
Das Objekt weist stärkere Korrosionsspuren auf - durch die Rostbildung ist die obere Metallschicht abgeplatzt. Ein Teil des Bügels ist abgebrochen und verloren.
Zum Anschirren mittels Geschirr:
"Anschirren" bedeutet: einem Zugtier das Geschirr anlegen (= "anspannen") und meint die Verbinden eines Zugtieres mit dem zu ziehenden Gefährt (Wagen, Schlitten) oder Arbeitsgerät. Das Anspannen ermöglichte die Nutzung der tierischen Energie für die Zugleistung, sei es für den Transport von Personen oder Gütern oder bei der Bodenbearbeitung, z.B. beim Pflügen oder Eggen. Es gab (und gibt) mehrere Arten der Anspannung - gängig war in römischer Zeit die Jochanspannung mittels eines Widerristjochs und/oder durch Jochgabel sowie Hals- und Brustgurt. Sie ist schon seit dem Neolithikum bekannt und hat sich bis in die jüngste Zeit erhalten. Die Zugkraft wurde hierbei im Wesentlichen von der Widerristpartie des Tieres abgenommen und über die Deichsel auf das Gefährt übertragen. Erst das entwicklungstechnisch jüngere Kumt oder Kummet und das Sielengeschirr (in Europa erst seit dem Mittelalter: ca. 1000 n. Chr.) machten die Abnahme der Zugkraft in Höhe der Schulter und die Kraftübertragung über Zugstränge auf das Gefährt - meist unter Zwischenschaltung eines Zugholzes (Ortscheit, Waage) möglich. Hauptbestandteile eines Geschirrs waren Leder und Metallteile. Zur Ausschmückung konnten Zierbänder, Applikationen und Beschläge Verwendung finden.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).