Kästchenbeschlag mit Griffhenkel.
Bei Applikationen/Beschlägen handelt es sich um aufgesetzte Zierstücke, die in erster Linie dekorativen Charakter haben. Im vorliegenden Fall verweist das Vorhandensein eines Griffhenkels jedoch auf eine zusätzliche Nutzfunktion: der Beschlag saß sicherlich am Deckel oder einer Schublade eines Kästchens oder kleinen Schränkchens. Das Objekt ist 6 cm lang und 3 cm breit, besteht aus Bronze und weist eine Verzierung mit zwei eingravierten, randparallel verlaufenden Doppelritzlinien auf. Der in seiner Ausführung schlichte Griff sitzt nicht mittig sondern zu einer Randseite hin verschoben. Die beiden umgebogenen Enden des Griffs stecken in Ösen, welche von der Rückseite des Bleches durch zwei Bohrungen zur Vorderseite geführt sind.
Das Objekt weist Korrosionsspuren und kleine Fehlstellen an der Platte und dem Henkel auf, die Platte ist eingerissen und der Griffhenkel durchbrochen. Insgesamt ist der Beschlag jedoch noch sehr gut zu erkennen.
Der Beschlag lässt sich nur allgemein in die römische Kaiserzeit bzw. die Nutzungsphase der Villa rustica von Reinheim (2. H. 1. Jh. bis 3./4. Jh. n. Chr.) datieren.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).