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Schmuck / Tracht

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0351
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Schmuck / Tracht
weitere Objektbezeichnung:
Maske/Visier eines Reiterhelms (Kopie)
Material:
Eisen (Unterlage)
Messing (Blech)
Eisen ( Unterlage)
Technik:
gegossen
Maße:
Gesamt: H: 17 cm, B: 22 cm

Beschreibung

Kopie eines Visiers eines Reiterhelms (Maske).

Das Original wurde im Jahr 2000 unmittelbar südlich des Nebengebäudes B9 (Bereich des Wirtschaftshofes der Villa) gefunden und stellt den bislang einzigen Fund dieser Art im Saarland dar. Es befindet sich im Museum für Vor- und Frühgeschichte des Saarlandes in Saarbrücken.
Die Maske besteht aus Messingblech, welches einer Eisenunterlage aufsitzt. Als Visier ist sie Teil eines zweiteiligen Reiterhelms und besitzt ein tiefsitzendes Stirnscharnier in der Stirnmitte. Mittels dieses Scharniers konnte sie wie ein übliches Visier hochgeklappt werden. Von der zugehörigen Kalotte, die Kopf und Nacken schützte, hat sich nichts erhalten.
Sie stellt das Gesicht eines jungen Mannes in Tradition hellenistischer Portraittypen dar. Das Fundstück selbst stammt hingegen aus flavischer Zeit (spätes 1. Jh. n. Chr.). Die Gesichtszüge sind nicht individuell gestaltet - das bartlose, jugendliche Gesicht erinnert an klassizistische Portraits der augustäischen Zeit bzw. ist typisch für Reiterhelm-Masken des Typs "Nijmegen-Kops Plateau". Exemplare dieses Typs sind vom Niederrhein, dem Rheinland, der Auvergne, Rom, Bulgarien, bis hin nach Syrien belegt.
Der römische Autor Flavius Arrianus beschreibt in seinem Reitertraktat aus dem Jahr 136 n. Chr. solche Maskenhelme als Zubehör von Paraderüstungen eines römischen Reiters. Da die Masken aus dem 1. Jh. n. Chr. jedoch eine dickere Metallstärke aufweisen und in Kalkriese ("Schlacht im Teutoburger Wald") ein Exemplar im Zusammenhang mit einem Kampfplatz entdeckt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass die frühen Vertreter auch in Schlachten Verwendung gefunden haben.

Da die Maske aus der Gründungszeit der Villa von Reinheim stammt, dürfte sie einem Angehörigen der vermutlich gallisch-stämmigen Besitzerfamilie der Villa gehört haben. Der Großteil der römischen Kavallerie setzte sich aus Hilfstruppen zusammen, welche aufgrund der vorzüglichen Reitkünste der keltischen Krieger bevorzugt in Gallien und Spanien rekrutiert wurden. Der ehemalige Träger des Maskenhelms wird also sehr wahrscheinlich in der Reitertruppe einer Hilfseinheit, stationiert an einer der nördlichen Reichsgrenzen, gedient haben.
Die Maske war zusammen mit mehreren Glasgefäßen, einem Gliederarmband aus Gagathalbscheiben, Haarnadeln, einer Sonde aus Bronze und einem Schlüssel in einer Grube in der Nähe des Nebengebäudes B9 deponiert worden. Die Frage nach der Ursache der Deponierung (wahrscheinlich bereits im 3. Jh. n. Chr.!), ist aufgrund der unzureichenden Informationen bisher nicht genau zu beantworten.

Der Bau B9 stammt aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. und diente zunächst vermutlich als Lagerraum für landwirtschaftliche Erzeugnisse, bevor es im 2. Jh. n. Chr. durch den Bau von Öfen und nach Aussage des Fundmaterials zu einem Wohnhaus umgewandelt wurde. Bemerkenswerterweise stammen auch über die Hälfte aller im Bereich der Villa gefundenen römischen Münzen (288) aus diesem Gebäude.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstamdene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016, S. 70-72, Abb. Nr. 70
Sarateanu-Müller, Florian: Die Reitermaske von Reinheim. Der Fundkontext (=Internationale Archäologie - Studia honoria, 35), Rahden, 2015, S. 151-162
Sarateanu-Müller, Florian: Die Reitermaske von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013, S. 80-81
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013, S. 72-79