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Schrumpfkopf

Abenteuermuseum Saarbrücken


Herstellung: um 1900 hergestellt, erworben um 1960
in: Ecuador

Merkmale

Inventarnummer:
2007AMS212
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Schrumpfkopf
weitere Objektbezeichnung:
Tzantza, Tsantsa
Sachgruppe:
Andere Religionen (Gegenstände und Hilfsmittel ritueller Praktiken in den indianischen Religionen)
Material:
Rohhaut
Naturfaden
Technik:
Rohhautbearbeitung (Gesichtshaut gekocht
geschrumpft
geräuchert
geglättet)
Maße:
Gesamt: H: 10 cm

Beschreibung

Der Kopf hat eine Art Pony-Frisur; der Mund ist zugenäht. Der Schriftsteller und Ethnograph Fred C. Siebeck, der mehrere Monate unter den Shuara-/Jívaros gelebt hat, beschreibt die Kopfjagd wie folgt: "Als Tsantsa begehrt sind vornehmlich die Köpfe der Achuar. [...] Wahllos wird geköpft. [...] Nur bei Nacht. Und immer nur, wenn die mehrfache Überlegenheit gesichert ist. Tapferkeit ist nicht gefragt. [...] Der Kopf eines Achuarmannes ist wertvoller, doch die Achuarfrauen werden deshalb nicht verschont. [...] Oft werden die Frauen des Geköpften entführt; mitunter werden auch Kleinkinder verschleppt, damit sie die Tsantsafeste [...] mit ihrem Jammergeschrei gehörig untermalen. [...] Sobald der Kopf gefallen ist, bohrt der [Kopfjäger] das Stirnband, als Trageschnur durch Mund und Halsöffnung [...] und bindet ihn [...] auf seiner Schulter fest. [...] Oft läuft der Kopfjäger länger als eine Woche bis zu seiner Behausung [...]. [...] Verschnaufpausen im Blauschatten des Dschungels dienen der Herstellung der Tsantsa. Bei erster Rast schlitzt [er] die Haut an der Rückseite des Kopfes auf, löst sie sorgfälltig ab, macht [...] den abgehäuteten Schädel, den er in den Fluß wirft, [...], der geheiligten Anakonda zum Geschenk. [...] Bei nächster Gelegenheit brüht er die Kopfhaut in erhitztem Flußwasser [...] und trocknet den zur Hälfte geschrumpften Skalp [...]. Während der folgenden Rückzugspausen wird die Trophäe ausgeschabt, um die Muskelfasern zu entfernen; die Schnitte werden mit einem Garn [...] vernäht, die Lippen werden mit drei Dornen verschlossen. Über glühenden Steinen formt der [Kopfjäger] den mit glühendem Sand gefüllten Hautsack [...] bis der Skalp kaum größer ist als die Faust eines Shuar. Mit Holzkohle färbt er den Tsantsa schwarz. Durch die Kopfmitte, die er durchlöchert hat, zieht er eine [...] Schnur als Henkel. Zuletzt werden die Dornen, der 'Verschluß der Seele', durch Baumwollfäden ersetzt. Endlich erhöht der [Schamane] den Ritualmord zur Heldentat. [...] Es besteht kein Einheitsmaß des Mystizismus, der [das Ritual] umgibt. Die Erklärungen unterscheiden sich. Der Schamanismus ist keine Einheitskirche mit Kapitelordnung und Gesangbuch." (vgl. hierzu auch Exponat 2007AMS211)

Literatur

Siebeck, Fred C.: Ein Schrumpfkopf für die Seele. Shuar-Kopfjäger in Ecuador, in: Merian. Inkastaaten: Peru, Ecuador, Bolivien, Hamburg: Hoffmann & Campe, 12/1977, S. 72
Dezernat für Kultur und Freizeit der Stadt Frankfurt am Main/Museum für Völkerkunde (Hrsg.): Roter Faden zur Ausstellung. Schrumpfkopfmacher. Jíbaro-Indianer in Südamerika, Frankfurt a.M., 1977, S. 227-249
Lindig, Wolfgang / Mark Münzel: "Die Indianer", in: München, 1978, S. 451f.
Cotlow, Lewis: Wilde Paradiese, München/Eßlingen: Bechtle Verlag, 1969, S. 156f.