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Sandstein-Korbbogen

Museum Handwerkerhof


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2017HWO0197
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Sandstein-Korbbogen
weitere Objektbezeichnung:
Türbogen der Probierstube des Weinkellers des Saarlänischen Landtagsgebäudes
Sachgruppe:
Handwerk (Steinmetz)
Signatur:

datiert (Oberseite der Keilsteine: ERBAUT 1924)

Material:
Maße:
Gesamt: B: 149 cm, T: 80 cm, H: 55 cm (liegend)

Beschreibung

Sandstein-Korbbogen

Bei dem vorliegenden Exponat handelt es sich um einen mehrteiligen Korbbogen aus Sandstein; er stammt vom ursprünglichen Eingangsportal der ehemaligen Probierstube ("Mauschelstube") im Untergeschoss des saarländischen Landtages in Saarbrücken und wurde im Jahr 1924 erbaut/eingebaut, aber wahrscheinlich früher - eventuell bereits 1866 - hergestellt.

Zum Gebäude und zur Geschichte des Saarländischen Landtages:
Nach dem Ersten Weltkrieg musste das Deutsche Reich das so entstandene "Saargebiet" abtreten und dem Völkerbund unterstellen. Zwischen 1920 und 1935 bestand der Landesrat als Volksvertretung und damit als Vorgänger des Saarländischen Landtags. Aufgrund einer Volksabstimmung wurde das Gebiet dem Reich 1935 wieder angegliedert. Als Folge des Zweiten Weltkriegs wurde das Saarland erneut abgetrennt und somit ein französisches Protektorat. 1947 wurde eine aus 20 Personen bestehende, in der Tradition der Ernannten Landtage der anderen deutschen Länder stehende Verfassungskommission eingesetzt und wenig später eine Verfassunggebende Versammlung gewählt. Diese trat nach der Annahme der Verfassung des Saarlandes in die Rolle des ersten Landtags ein. Dieser tagt seither im 1865/??66 für die Alt-Saarbrücker und St. Johanner Casino-Gesellschaft als deren viertes Gesellschaftshaus erbauten Gebäude in der heutigen Franz-Josef-Röder-Straße (ursprünglich Herrengartenallee).
Das Gebäude wurde nach einem ausgeschriebenen Architektenwettbewerb durch den Architek-ten Julius Carl Raschdorff, einem der renommiertesten Vertreter des späten Klassizismus und frühen Historismus sowie dem Erbauer des Berliner Doms und Stadtbaumeister von Köln, errichtet. Die Bauausführung leitete Baumeister Julius Emmerich aus Trier. Der historistische Rückgriff auf griechisch-römische Gestaltungsformen und die Anlehnung an Villenbauten der italienischen Renaissance prägen das Erscheinungsbild des Casinogebäudes. Im Jahr 1881 entstanden der östliche Anbau parallel zur Hauptfassade und die rückwärtige Gartenhalle nach Entwürfen des Saarbrücker Architekten Hugo Dihm. 1892 wurden größere Erweiterungsbauten nach Plänen des St. Johanner Architekten Karl Brugger ausgeführt. Im Inneren veränderte man zudem die Raumaufteilung und an der Ostseite wurde ein zweigeschossiger Küchentrakt mit drei Fensterachsen hinzugefügt. 1935 musste die Casino-Gesellschaft ihr Haus und das sonstige Vereinsvermögen dem "Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik" (NSBDT) ohne Entschädigungszahlungen überschreiben. Durch das alliierte Kontrollratsgesetz galt das gesamte Vermögen der ehemaligen NSDAP, ihrer Gliederungen und der ihr angeschlossenen Verbände nach dem Krieg als beschlagnahmt und unter Zwangsverwaltung gestellt. Der Zwangsverwalter wies 1947 das Haus dem Landtag des Saarlandes als Plenargebäude zu. Der Umbau des ehemaligen Gesellschaftshauses für die Zwecke des Landesparlamentes wurde durch den französischen Architekten und Städteplaner Pierre Lefèvre ausgeführt. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden der Trakt mit dem "Großen Restaurant", der darüber liegenden Präsidentensuite sowie ein weitere Anbau südöstlich des Küchentraktes errichtet. Wann genau die reiche Innenausstattung der Erbauungszeit mit Stuck, Tapisserien, Malereien und Wandverkleidungen verloren ging, ist bisher unbekannt. Zwischen 1979 und 1981 fand eine umfangreiche Sanierung der Gebäudefronten statt (Rekonstruktion des rückwärtigen Mittelrisalits nach dem Vorbild der Vorderfassade, Erneuerung der Putzflächen, Reparatur der Buntsandsteinsockel und -gewände sowie ein Anstrich der Fassaden mit Mineralfarben, Einbau des Hauptportals und der Eingangstür auf der Seitenfront in ihrer ursprünglichen Gestalt). Des Weiteren wurden in den Folgejahren fünf Sitzungssäle mit Stuckarbeiten, Türen und Kronleuchtern in Anlehnung an Raschdorffs Konzeption wiederhergestellt und die Rekonstruktion des Vestibüls in originaler Gestalt bewerkstelligt. Zwischen 1994 und 2004 wurden eine Neugestaltung des "Kleinen Restaurants" und ein zusätzlicher Erweiterungsbau nach Entwürfen von Miroslav Volf ausgeführt. Nahezu zeitgleich wurden gravierende Schäden insbesondere im Bereich der Gründung festgestellt. Es traten breite Setzungsrisse am Gebäude auf, die durch Kriegsschäden, Grundwasserschwankungen, den Bau der Stadtautobahn und die Erschütterung durch den erhöhten Straßenverkehr, An- und Umbauten sowie den Bau einer nahen Tiefgarage verursacht worden waren. Eine (weitere) Gesamtsanierung erwies sich demnach als notwendig. Der Architekt Oliver Brünjes und die Innenarchitektin Vera Burbach-Brünjes, beide aus Saarbrücken, wurden damit beauftragt. Die Arbeiten fanden im Jahr 2009 ihren Abschluss (nach: Wikipedia und www.saarland.de/dokumente/thema_denkmal/MUEV_Fiche2011_Saarbrucken_LAY3.pdf).

Zum vorliegenden Exponat:
Im Keller des Casinogebäudes befand sich neben anderen Räumen ein Weinkeller mit Probierstube, die sogenannte "Mauschelstube". Während den Sanierungsarbeiten in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre wurde u.a. auch der vorliegende Korbbogen des Zugangs zu diesem Raum ausgebaut und durch eine Neuanfertigung ersetzt. Der Originalbogen wurde durch Herrn Horst Philippi vor der Entsorgung bewahrt und somit gesichert.
Es handelt sich um einen Mauerbogen, der als Torbogen eine Öffnung im Mauerwerk überspannte und die Last des darüber liegenden Mauerwerks trug, und hierbei prinzipiell um einen sogenannten "echten Bogen", welcher sich aus keilförmig angeschrägten Steinen (Keilsteine) zusammensetzt und hohe Belastungen als Druckspannung aufnehmen kann. Der Bogen besteht allerdings aus fünf einzelnen Blöcken, die bis auf den Schlussstein nach der Art der "Kämpfer"-Steine, also der oberen Abschlüsse des Widerlagers und die Basis des Bogens, mit ihren oberen und seitlichen Außenflächen fest im waagerecht gelagerten Mauerverband der umliegenden Wandfläche eingebunden waren. Über der Kämpferlinie liegt also strenggenommen lediglich der dekorativ verzierte und durch seine plastische Gestaltung aus dem Kontur der Wandfläche hervortretende Schlussstein. Die Bogenlaibung selbst entspricht der Form des Korbbogens, einer Weiterentwicklung des Segmentbogens, bei dem der Krümmungsradius im Bogenverlauf geändert wird (die Krümmung verstärkt sich in Richtung Widerlager). Aus einer eigetieften, auf der Vorderseite dem Bogenverlauf folgenden Fläche tritt erhaben der Schriftzug "PROBIER-STUBE" hervor. Der diese Benennung in zwei Wörter teilende Schlussstein ist in einem figürlichen, plastischen Relief gearbeitet. Er zeigt über Rollwerk und Weinlaub ein hölzernes Weinfass in der Vorderansicht, bekrönt von einem mit Weinlaub und -trauben geschmückten und umrankten sowie einen Weinpokal in der erhobenen linken Hand haltenden nackten Putto als (Verweis auf) Bacchus (in der ikonographischen Tradition der nachantiken Renaissance-Rezeption des weintrinkenden Bacchusknaben). Der obere Teil des Kopfes (oberhalb der Augen) fehlt - vermutlich wurde der plastische Schlussstein aufgrund der niedrigen Deckenhöhe des Kellergewölbes des Casino-Gesellschaftsgebäudes beim Einbau oder zum Zeitpunkt einer Sanierung in seiner Höhenausdehnung waagerecht beschnitten. Zudem sind die Füße der halbplastischen Figur verloren. Auf der Oberseite der jeweils oberen Bogensteine ist entweder die Datierung der Erbauung oder die des Einbaus des Bogens eingraviert ("ERBAUT 1924").