zurück

Schmuckreif

Europäischer Kulturpark Reinheim


Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0442
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
weitere Objektbezeichnung:
Kopie eines Goldhohlarmrings
Ikonografie:
Material:
Maße:
Gesamt: D: 8,5 cm, Gewicht: 117,1 g

Beschreibung

Kopie eines goldenen Armrings der keltischen Fürstin von Reinheim aus der Frühlatènezeit.

Zum Grab der keltischen Fürstin:
Im Jahre 1954 wurde in Reinheim im Bereich des am Fuße des "Homerich" im Tal gelegenen sogenannten "Katzenbuckels" das Hügelgrab mit der Grablege einer keltischen Fürstin gefunden und ergraben [1 (A)]. Zusammen mit zwei unmittelbar benachbarten Großgrabhügeln [2 (B), 3 (C)] und weiteren Bestattungen im Bereich der späteren römischen Villa (Fluren "Allmend" und "Auf dem Sand") bildet es eine große eisenzeitliche Nekropole, welche von der Hallstatt- (8. bis 5. Jh. v. Chr.) bis in die Latènezeit (5. bis 1 Jh. v. Chr.) genutzt wurde und somit eine Belegungszeit von ca. 500 Jahren aufweist. Das Grab der Keltin - aufgrund der Beigaben (beidseitiges Tragen von Armringen und fehlende Waffen) ist die Grablege als Frauengrab gesichert - gilt als das bisher wohl reichste Fürstinnengrab der Frühlatènezeit in Mitteleuropa. Die Fürstin wurde gegen 370 v. Chr. bestattet.
Der Grabhügel war ehemals durch einen 0,60 m breiten und 0,40 cm tiefen Kreisgraben von 20 m Innendurchmesser begrenzt, welcher den heiligen Bezirk der Grabstätte von der profanen Außenumgebung abtrennte. Die noch durch Holzspuren nachweisbare, einen halben Meter in die Erde eingetiefte Eichenholzkammer von 3,5 x noch 2,70 m Größe wurde ehemals durch einen aus Erde und Rasensoden aufgeschütteten Grabhügel von 23 m Durchmesser und ca. 5 m Höhe geschützt (weithin sichtbares Grabmonument). Ihre Höhe wird mit ca. 0,90 bis 1,20 m rekonstruiert. Das Skelett war aufgrund der Kieselsäure im anstehenden Sandboden vollständig vergangen - der Befund ließ sich aufgrund der Position von den reichen Schmuck- und Trachtelementen (Hals- und Armringe) genau ermitteln: Die Tote war in NNW(Kopf)-SSO-Orientierung in gestreckter Rückenlage bestattet worden.

Zum Original-Armring:
Am rechten Arm trug die Fürstin einen glatten, offenen Goldhohlarmring mit einem Gewicht von 117,1 g und einer ovalen Form mit einem Quer-Durchmesser von ca. 8,5 cm. Sein Querschnitt verjüngt sich zu den Enden zu, welche beide mit identischen Figurengruppen verziert sind. Sie zeigen jeweils eine weibliche Menschengestalt (Bartlosigkeit, Haartracht mit langen, unten zusammengebundenen Zöpfen und an den Unterarmen getragene Ringpaare) im Flachrelief, welche in ihren Händen vor dem Bauch einen nicht eindeutig zu identifizierenden Gegenstand hält (Ring aus der Hallstattzeit oder Krotaloi, also Klangschellen) und einen tiaraartigen, sog. "phrygischen Helm" (Formenursprung: Vorderer Orient, Iran, 5. Jh. v. Chr.) trägt, dessen vornüberfallend Spitze als Raubvogelkopf gebildet ist (makedonische-griechische Variante, 4. Jh. v. Chr.), was ihn zu einem der wesentlichen Attribute der griechischen Göttin der Weisheit und Kunstfertigkeit, der Athene bzw. ihres etruskischen (und später römischen) Pendants, der Minerva macht. Die Gestalt trägt einen stark stilisierten langen Rock. Der Figur wachsen - nach Vorbildern in der Kunst des Alten Orients (und adaptiert in der Kunst der Griechen und Etrusker) - breite, dreiteilige, sichelförmige Federflügel aus der Schulter, was sie als Fabelwesen erscheinen lässt bzw. als die Göttin Artemis/Diana, die Göttin der Jagd und Herrin der Tiere (Potnia theron). Rechts und links hinter dem behelmten Menschenkopf sind zwei Löwenköpfe mit Schnurrhaaren und eingepunzten Bartstoppeln angebracht, darunter befinden sich Palmetten mit abwechselnd schraffierten und glatten Blättern. Über den Raubtierköpfen erhebt sich je ein vollplastischer Kugelknauf (Doppelknopfverzierung). Auch die Löwen sind gängige Attribute/Begleittiere der Artemis - allein der Helm entspricht nicht den bekannten Artemisdarstellungen, sondern verweist als künstlerisches Vorbild auch auf Athene/Minerva. So finden sich in den Ringenden zwei Göttinnen der Mittelmeerkulturen zu einer keltischen Mischgottheit der La-Tène-Kultur vereint. Sie könnte mit der von Caesar (De bello Gallico, VI,17,2) erwähnten "keltischen Minerva" übereinstimmen, welche ebenfalls die Handwerke und Künste begründete und bewahrte.

Der Ring ist aus mehreren Einzelteilen zusammengelötet, die zuvor gegossen worden waren und deren ornamentalen Oberflächendetails danach einziseliert, graviert und eingepunzt sowie mit aufgeschweißten Granalien versehen wurden. Das Verbreitungsgebiet frühlatènezeitlicher Armringe mit Maskenzier, wenngleich auch in teils wesentlich einfacheren Ausführungen, reicht vom Genfer See bis zum Mittelrhein und bis nach Böhmen und Bayern (Zentrum Schweiz und Oberrhein). Das Reinheimer Exemplar nimmt - ähnlich wie der Halsring (vgl. Inv.nr. 2013REI0443) - eine künstlerische Ausnahmestellung ein.

Die Kopie des Armrings ist in vorzüglichem Zustand.
Das Original ist im Saarbrücker Museum für Vor- und Frühgeschichte ausgestellt.

Literatur

Reinhard, Walter: Die keltische Fürstin von Reinheim, Blieskastel, 2004, S. 55-61, Abb. Nr. 81, 83
Reinhard, Walter: Kelten, Römer und Germanen im Bliesgau (=Denkmalpflege im Saarland, 3), Reinheim, 2010, S. 178-201, Abb. Nr. 171, 173
Echt, Rudolf: Das Fürstinnengrab von Reinheim. Studien zur Kulturgeschichte der Früh-La-Tène-Zeit (=Blesa - Publication du Parc archeeologique europeen de Bliesbruck-Reinheim, 2), Bliesbruck-Reinheim, 1999, S. 39-51, Abb. Tafel 2, 12, 13, Werkverzeichnis Nr. 3.1.2