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Reit- / Zugtierzubehör

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0308
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Reit- / Zugtierzubehör
weitere Objektbezeichnung:
Phalere/Zierscheibe
Material:
Technik:
gegossen
Maße:
Gesamt: D: 19,2 cm

Beschreibung

Phalere/Zierscheibe.

Bei dem Bronzeobjekt handelt es sich um eine 19,2 cm im Durchmesser messende Phalere/Zierscheibe, welche wahrscheinlich als Ausschmückung zur Schirrung der Pferde gehörte, die während des Bestattungszuges eines Mannes der Führungsschicht den wahrscheinlich vierrädrigen Leichenwagen zogen. Sie wurde nach den Kulthandlungen der Bestattung zusammen mit anderen Bronzeobjekten (Tüllenmeißel, Klapperbleche, Arm- und Fußringe) als Opfergabe an die Götter im Boden deponiert (Hortfund in der Flur "An der Osterwiese" in Reinheim).
Die kreisrunde Zierscheibe besteht aus Bronzeblech und besitzt, abgesetzt von dem umlaufenden flachen Rand, einen sich deutlich erhaben vorwölbenden Buckel mit mittig hervorstehender Bosse. Während die späteren römischen Phalerae in der Regel aufwendig gestaltete erhabene Verzierungen oder Gravuren aufweisen, und neben der Verwendung als Schmuckgeschirr für Pferde vor allem von Soldaten als militärische Auszeichnung für Tapferkeit auf der Brust getragen wurden, dienten dünne, scheibenförmige und relativ schlicht gestaltete Zierscheiben mit apotropäischer Funktion seit der Bronzezeit vor allem in dem erstgenannten Verwendungszweck als Schmuckplaketten am Pferdegeschirr.
Die Phalere ist in das 9. Jh. v. Chr. zu datieren und gehört somit der späten Bronzezeit an (1330 - 800 v. Chr.). Hortfunde aus dieser Zeit werden im Saar-Mosel-Raum auch als "groupe Sarre-Lorraine" bezeichnet und bestehen in ihrer Maximalausstattung stets aus drei Objektgruppen, die zu den Statussymbolen der Führungsschicht gehörten: Männerwaffen, Pferdegeschirr als Hinweis auf von Pferden gezogene Wagen und Frauenschmuck, insbesondere Fußringe, welche während des Bestattungszuges paarig von mehreren Frauen getragen worden waren.

Die Späte Bronzezeit wird aufgrund der zahlreichen Brandbestattungen auch als "Urnenfelderzeit" bezeichnet. Der Leichenbrand des Toten wurde in einem Gefäß (einer Urne) beigesetzt. Der Wandel von Körper- zu Brandbestattungen wird als religiöses Umdenken in der Gesellschaft interpretiert. Man geht davon aus, dass mit dem Eintreten neuer Bestattungsriten ein Wandel in den jeweiligen Jenseitsvorstellungen stattgefunden haben muss. Hochrangige Personen wurden allerdings weiterhin - nunmehr mit kostbaren Beigaben - in Körpergräbern unter Grabhügeln bestattet. Dabei handelt es sich mitunter um ganze Wagen, die mit weiteren, oben bereits genannten, Grabbeigaben ins Grab gelangten.
Das 9. Jh. v. Chr. stellt im Raum nördlich der Alpen eine Phase vieler Veränderungen dar: Nach jahrhundertelanger Dominanz des Flachbrandgrabes gewann, von Westeuropa ausgehend, die Körperbestattung unter einem Grabhügel für die Führungsschicht weiterhin an Bedeutung. Die Sitte der Hortdeponierungen erlosch am Ende der Bronzezeit zunächst, wurde aber in der nachfolgenden Hallstattzeit ebenfalls in Form von Grabbeigaben wieder aufgenommen. Durch Verknappung des im Bergbau gewonnenen Kupfers hoher Qualität (Hauptbestandteil der Bronze) verschlechterte sich die Haltbarkeit der geschmiedeten Bronzeobjekte, was am Ende der späten Bronzezeit zum Niedergang des Bronzehandwerks in dieser Region, und zur Übernahme des Eisens, eines im Orient und im Mittelmeerraum schon seit dem 3. Jahrtausend genutzten Werkstoffes, führten.

Das Bronzeobjekt ist gut erhalten - der Rand weist lediglich mehrere kleine Risse auf, der Buckel ist an einigen Stellen leicht eingedrückt.

Literatur

Kolling, Alfons: Späte Bronzezeit an der Saar und Mosel (=Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde, 6), Saarbrücken, 1968, S. 189, Nr. 85, Abb. Tafel 61-63
Bertemes, F.: Der Hortfund von Reinheim. Saar-Pfalz-Kreis. (=Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 18), 1988, S. 68-69, Abb. Nr. 20
Reinhard, Walter: Kelten, Römer und Germanen im Bliesgau (=Denkmalpflege im Saarland, 3), Reinheim, 2010, S. 18-21, Abb. Nr. 7-9
Reinhard, Walter / Carmen Löw: Kinder wurden reich bestattet (=AiD, 5), 2005, S. 49 71
Reinhard, Walter: Die keltische Fürstin von Reinheim, Blieskastel, 2004, S. 49, Abb. Nr. 71