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Fibel

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0447
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Fibel
weitere Objektbezeichnung:
Gleichseitige Scheibenfibel/Flache mehrfarbige Emailfibel
Sachgruppe:
Kleidung (Zubehör, Fibeln)
Material:
Technik:
Maße:
Gesamt: L: 3,6 cm

Beschreibung

Gleichseitige Scheibenfibel/Flache mehrfarbige Emailfibel (Backenscharnierfibel).

Bei dem vorliegenden Objekt dürfte es sich um eine Mischung aus zwei Backenscharnierfibel-Typen nach Riha (7.16 und 7.17) handeln.
- Riha Typ 7.16: Gleichseitige Scheibenfibeln (Heynowsky Typ 4.2.2.; Exner Gruppe II; Ettlinger, bei Typ 36): Unter diesen Typ fallen alle - in ihren Ausführungen sehr variationsreichen - Fibeln, die in ihrem Aufbau durch zwei Symmetrieachsen bestimmt sind und deren eine, meist die längere Achse durch Fortsätze hervorgehoben ist. Dies trifft grundsätzlich auf die vorliegende Fibel zu.
Sie besitzt eine flache rhombische Platte mit Rundeln an den Ecken, die mit orangenem und schwarzem Email gefüllt sind (Augen). Muster der Platte: innerhalb eines leicht rhombischen Steges orangefarbenes Mittelfeld mit vier schwarzen Augen; Randzone mit alternierend weißen und roten (?) Feldern. Die Längsachse besitzt noch auf der Seite des Nadelhalters den profilierten Fußfortsatz, der vermutlich ähnlich/gleich gestaltete Kopffortsatz ist mitsamt der Rundel und dem Scharnier (Backenscharnier) abgebrochen. Der Nadelhalter ist dreieckig und gefüllt.

In seiner reichen und vielfarbigen Emailgestaltung entspricht die Fibel auch dem Riha Typ 7.17:
- Flache mehrfarbige Emailfibeln (Ettlinger Typ 44,4):
Die unter diesem Typ zusammengefassten flachen Scheibenfibeln sind in geometrisch abgegrenzten Flächen ganzflächig und detaillierter als der Typ 7.16 mit Email von verschiedener Farbe belegt. Sie sind in der Regel von rhombischer Grundform und mit kleinen email- oder punzverzierten Rundeln am Rande versehen, meist an den Ecken. Allerdings fehlt ihnen - im Gegensatz zu vorliegendem Exemplar - das Hervorheben einer Achse durch eigentliche Fortsätze. Das Vorhandensein der selbigen macht es zu einem Mischtyp.
Nach Riha kommen Fibeln des Typs 7.16 (gleichseitige Scheibenfibel) in vielen Variationen vom Ende des 1. Jh. bis zum Anfang des 3. Jh. n. Chr. vor. Typ 7.17 ist in allen westlichen römischen Provinzen vertreten. Wegen ihrer reichen farbigen Emailverzierung müssen diese Fibeln ähnlich wie die ganzflächig emaillierten Exemplare des Typs 7.16 ins späte 1. und 2. Jh. n. Chr. datiert werden.

Die Fibel wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der Villa rustica in Reinheim gefunden.
Das Backenscharnier, sowie eine Rundel mitsamt dem Kopffortsatz fehlen. Die Emailfüllung ist nur teilweise erhalten.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Riha, Emilie: Die römischen Fibeln aus Augst und Kaiseraugst, 1979
Heynowski, Ronald: Fibeln. erkennen - bestimmen - beschreiben (=Bestimmungsbuch der Archäologie, 1), Berlin - München: Deutscher Kunstverlag, 2012
Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013