zurück

Fibel

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0446
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Fibel
weitere Objektbezeichnung:
Niellierte Scharnierfibel mit ungeteiltem Bügel
Sachgruppe:
Kleidung (Zubehör, Fibeln)
Material:
Technik:
gegossen
nielliert
Maße:
Gesamt: L: 5,5 cm

Beschreibung

Niellierte Scharnierfibel mit ungeteiltem Bügel (Hülsenscharnierfibel).

Zu nielloverzierten Fibeln (nach Riha):
Mit Niello bezeichnet man eine bestimmte Art von schwärzlicher Metallmasse, die vor dem 11. Jh. n. Chr. nur aus Silbersulphid bestand - die Technik des Niellierens war bereits den Kelten bekannt -, und sich seither aus einem Gemisch von Silber und Sulphiden (Kupfer und Blei) zusammensetzt. Mit dieser Masse füllte man gravierte oder bereits mitgegossene Vertiefungen, deren Ränder leicht unterschnitten wurden, um das Herausfallen der Einlage möglichst zu verhindern. Dazu wurde das Silbersulphid pulverisiert in die Vertiefung eingepresst und dann erhitzt. Die mit einfachen Mustern nielloverzierten provinzialrömischen Fibeln bestehen stets aus Bronze und sind/waren auf der Oberseite verzinnt. Nielloeinlagen kommen hauptsächlich bei Hülsenscharnierfibel (Riha, Gruppe 5) und Backenscharnierfibeln (Riha, Gruppe 7) vor, bei Hülsenspiralfibeln (Riha, Gruppe 4) nur selten. Die Verbreitung der niellierten Fibeln umfasst Britannien, das nordöstliche Gallien, die germanischen Provinzen und Raetien. Da nielloverzierte Fibeln anderswo kaum vor kommen, sind innerhalb dieser Gebiete auch die Herstellungsorte zu suchen.
Datierung der niellierten Fibeln:
In typologischer Hinsicht sind die niellierten Bügelfibeln aufgrund ihres schmalen, länglichen Bügels mit anderen Typen ohne Niello verwandt, die allesamt dem 1. Jh. n. Chr. angehören. Sie setzen bereits in claudischer Zeit ein, sind dann geradezu charakteristisch für die 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. und verschwinden nach und nach im 2. Jh. n. Chr.

Zum Objekt:
Bei vorliegendem Exemplar dürfte es sich um eine "Scharnierfibeln mit ungeteiltem Bügel und Fussknopfrudiment" (Riha, Typ 5.10) handeln - allerdings in einer niellierten Ausarbeitung. Die Fibel weist einen vom Kopf bis zum Endknopf durchlaufenden, leicht gebogenen, im Profil etwa D-förmigen Bügel mit ausgeprägtem, fast rechtwinkligem Halsknick und Grat auf. Die Kopfplatte selbst ist mit einer kräftigen, plastisch beinahe "halskrausenartig" hervortretenden Querprofilierung zwischen niedrigen Leisten versehen. Zwischen zwei Querprofilierungen sitzt ein äußerst kurzes "Fußstück" bzw. eine Vertiefung. Der Fußknopf ist im Wesentlichen hauptsächlich an der Oberseite ausgebildet. Der Grat und die flacheren Querprofilierungen sind an ihren Oberseiten geriffelt (bzw. mit Strichritzungen versehen). Beidseitig des Grates ist die gesamte Oberfläche des Bügels in Niellotechnik verziert. Der trapezförmige Nadelhalter ist zweifach durchlocht. Die Hülse des Scharniers wird aus dem zu zwei rechteckigen Lappen ausgezogenen Bügel-/Halses gebildet - die Lappen werden zu zwei Blechröhren eingerollt, zwischen denen sich ein Schlitz befindet. Die Nadel mit gelochtem Kopf wird in den Schlitz eingesetzt und mit einer Achse arretiert.
Das Objekt weist leichte Korrosionsspuren auf - die Nadel ist verloren. Ansonsten ist die Fibel mitsamt den Nielloeinlagen gut erhalten.
Nach Riha gehören Fibeln dieses Typs (mit oder ohne Niellierung) hauptsächlich in die späte zweite Hälfte des 1. Jh. und das erste Viertels des 2. Jh. n. Chr. (vgl. oben).
Die Fibel dürfte dem Typ Riha 5.17 (Scharnierfibeln mit ungeteiltem Bügel und Fußknopfrudiment) entsprechen, von der Form her etwa den Nrn. 968 und 982; genereller: Ettlinger, Typ 35; Heynowski, Typ 4.3.

Bei Fibeln handelt es sich um Gewandspangen - mit ihnen wurden in der Antike Gewänder zusammengehalten. Sie gehörten sowohl bei Frauen als auch bei Männern zur alltäglichen Tracht und fanden dementsprechend allgemeine Verbreitung. Über ihre rein praktische Funktion hinaus waren sie in ihren stilistischen Ausformungen nach Typ und Aussehen wechselnden Modeerscheinungen unterworfen, weshalb sie sich sehr gut zur Datierung entsprechender Fundschichten und Fundzusammenhänge eignen.

Die Fibel wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der Villa rustica in Reinheim gefunden.
Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Riha, Emilie: Die römischen Fibeln aus Augst und Kaiseraugst, 1979, S. 26f, 135f, Abb. Tafel 36, Werkverzeichnis Nr. etwa 968, 982
Heynowski, Ronald: Fibeln. erkennen - bestimmen - beschreiben (=Bestimmungsbuch der Archäologie, 1), Berlin - München: Deutscher Kunstverlag, 2012, S. 133, Abb. Nr. 4.3
Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013