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Zügelführungsring

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0428
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Zügelführungsring
Sachgruppe:
Material:
Technik:
Maße:
Gesamt: L: 7 cm, L: 5 cm (ca.)

Beschreibung

Zwei Zügelführungsringe.

Bei den beiden ca. 7 cm langen Bronze-Objekten handelt es sich um Zügelführungsringe römischer Wagen. Durch solche metallene Wagenaufsätze wurden bei der Zügelführung zur besseren Handhabung die Zügel des Zugtier-Geschirrs (der Anspannung) zum Kutscher geleitet. Diese Führungen können künstlerisch anspruchsvoll (bspw. plastische Arbeiten in Form von Tierköpfen) oder rein funktional gestaltet sein. Die vorliegenden Exemplare bestehen jeweils aus einem kreisförmig bis ovalen, massiven und im Querschnitt annähernd runden Ring, der auf einer glockenförmigen, dünnwandigen Manschette (einmal rund und einmal rechteckig) sitzt, die sich bei dem größeren Objekt ihrerseits über dem Ansatz der ursprünglichen Befestigung (an den Wagen) befindet, während das kleiner Exemplar dort lediglich einen flachgewölbten Bügel aufweist, welcher eine Schlaufe bildet. (An dieser Stelle können auch Sockelringe vorkommen.)
Die Zügelführungsringe sind trotz leichter Korrosionsspuren gut erhalten. Sie wurden im Zuge der Ausgrabungen im Nebengebäude B8 des Wirtschaftshofes der römischen Villa gefunden. Das Gebäude diente im 2./3. Jh. n. Chr. höchstwahrscheinlich als Wohnung eines Gutsverwalters (Wohnluxus mit beheiztem Raum und Bad). In diese Zeit werden auch die Führungsringe datiert. Es handelt sich bei den Ringen vermutlich um Teile von einfachen Wagen zum Warentransport.

Zu römischen Wagen:
Zum Transport von Waren nutzten die Römer in der Regel das plaustrum (plostrum) und den carus. Das plaustrum war ein schwerer zweirädriger, meist von zwei Ochsen gezogener Last-Wagen, der vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt. Mit ihm wurden Lebensmittel, wie Öl, Wein, Getreide, Früchte und Gemüse transportiert. Außerdem wurden Baumaterialien und Abfall damit abgefahren.
Das carrus war ein mit Ochsen, Pferden oder Maultieren bespanntes Fuhrwerk mit vier großen Speichen-Rädern, bei dem beide Seitenwände herunter geklappt werden konnten. Er diente im zivilen wie im militärischen Bereich dem Transport von Gütern aller Art.
Zum Personen-Reiseverkehr wurden vierrädrige Wagen, die robuste und große rheda, die kleine Luxusvariante carruca oder die offenen Wagen essedum und cisium, benutzt.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016, S. 39-43, 65-68
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013