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Ernte- / Mäh- / Beschneidewerkzeug

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0425
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Ernte- / Mäh- / Beschneidewerkzeug
weitere Objektbezeichnung:
Eiserne Sichel-Klinge
Sachgruppe:
Material:
Technik:
geschliffen
Maße:
Gesamt: B: 4,4 cm, L: 11,1 cm (Spitze fehlt)

Beschreibung

Eiserne Sichel-Klinge.

Die eiserne bogenförmige Sichelklinge wurde im Nebengebäude B1 des Wirtschaftshofes der römischen Villa gefunden (Grabungen 1995-2006). Sie besitzt einen Eisenschaft, welcher am Heft im stumpfen Winkel abknickt und mittels Schäftung ursprünglich in den vergangenen Holzgriff eingesteckt war, ist 11,1 cm lang und hat eine Blattbreite von ca. 4,4 cm -.die Spitze ist abgebrochen.

Die Sichel ist ein Werkzeug zum Schneiden kleiner Mengen von Getreide und Gras. Sie besteht aus einer nach vorn sich verjüngenden, konkav gekrümmten Klinge mit einem hölzernen Handgriff. Sie unterscheidet sich von der Sense durch die kleinere Klinge und den kürzeren Stiel. Grassicheln sind kurz, aber sehr stark gebogen - bei vorliegendem Exemplar könnte es sich um eine solche handeln.
Die Sichel ist eines der ältesten Ackerbaugeräte. Die ältesten Sicheln fand man in der Levante, wo sie bereits im Protoneolithikum zum Abschneiden von Wildgetreide oder Gräsern dienten. Sie bestanden zunächst aus gebogenen Holz- oder Geweihstücken, in die man einige Feuersteinklingen mit Harz oder ähnlichem Material eingeklebt hat. Seit dem Aufkommen der Bronze wurden Sicheln aus diesem Material hergestellt. Sichel und Griff wurden mit Hilfe einer Schäftung verbunden. Seit Steensberg (1943) unterscheidet man zwei Sichelformen:
a) die Hakensichel, bei der das Blatt gerade aus dem Heft hervorgeht, so dass das Schwergewicht auf einer Seite liegt
b) die Bogensichel, bei der das Blatt am Heft im rechten oder stumpfen Winkel abknickt, so dass das Gewicht auf beide Seiten gleichmäßig verteilt ist
Typ b (= vorliegendes Exemplar) entstand in der La-Tène-Zeit, verbreitete sich unter den Römern und setzte sich im Mittelalter allgemein durch.

Die vorliegende Sichel dürfte aus der Phase stammen, in der das Nebengebäude B1 als Scheune genutzt wurde (etwa Mitte des 2. Jh. bis Ende des 3. Jh. n. Chr.) - in dieser Zeit wies der den hölzernen Vorgängerbau ersetzende Steinbau zwei breite Tordurchfahrten mit zugehörigen Rampen auf, welche für das Einfahren von Wagen vorgesehen waren.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016, S. 39-47
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013