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Statuette des Merkur

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0397
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Statuette des Merkur
weitere Objektbezeichnung:
Kopf einer bronzenen Merkurstatuette
Material:
Technik:
gegossen
Maße:
Gesamt: H: 4 cm (max.), B: 4 cm (max.)

Beschreibung

Kopf einer Merkur-Statuette.

Das gut erhaltene Kopffragment der Merkur-Statuette ist ca. 4 cm hoch. Als kennzeichnendes göttliches Attribut trägt das Haupt eine Kappe, an welcher beidseitig des Oberkopfes kleine, plastisch nicht weiter gegliederte Flügel "wachsen" (Flügelkappe). Das unter der Kappe hervorquellende Haar ist durch einfache parallele Ritzlinien dargestellt, die Arbeit erscheint in ihrer künstlerischen Ausführung insgesamt etwas grob. Der Körper der ursprünglichen Statuette ist verloren. Das Fragment lässt sich nur allgemein in die römische Kaiserzeit bzw. die Nutzungsphase der Villa rustica von Reinheim (2. H. 1. Jh. bis 3./(4.) Jh. n. Chr.) datieren.

Mercurius (griech. Hermes) war der römische Gott des Handels, des Gewerbes, des Reichtums und des Gewinns. Er wurde auch als Gott des Reisens und als Erfinder der Künste verehrt. Der Sage nach war er der Sohn des Jupiter und der Nymphe Maia. Sein Name leitet sich von lat. "merx" (= Ware) bzw von dem lateinischen Wort für "Handel treiben" (= mercari)ab. Die Gleichsetzung mit dem griechischen Gott Hermes ließ ihn auch dessen Attribute übernehmen - zudem bekam er auch einige von dessen Eigenschaften und Aufgaben zugesprochen, nämlich die Funktion des Götterboten, der Nachrichten und Geschenke übermittelt und Verirrte auf den rechten Weg zurückführt, und die Führung der Seelen in die Unterwelt. Er war zudem bekannt als Gott des Zufalls, ebenso wie der List und der Tücke. Des Weiteren übernahm er von Hermes die Eigenschaft der Beredsamkeit - stets konnte er eine passende Ausrede finden und hatte außerdem eine hohe Überredungsgabe, mit der er anderen seinen Willen aufzwingen konnte.
Der Gott Merkur wird (wie Hermes) zumeist mit einer Geldbörse (marsupium) oder einer Spendenschale und einem Heroldstab (caduceus, griech. kerykeion) mit zwei verknoteten Schlangen dargestellt. Häufig erscheint noch ein Reisemantel (Schultermantel, Chlamys), der entweder um linken Arm gewickelt oder über die Brust geführt ist. Flügelschuhe erscheinen je nach künstlerischer Darstellung. Ansonsten erscheint der Gott nackt und ist in der römischen Kaiserzeit immer als junger Mann dargestellt.
In der Kaiserzeit war sein Kult allgemein und stark verbreitet. Künstlerisch taucht Merkur am häufigsten in den Lararien (Hausaltären) der Privathäuser auf. Auch das Fragment der vorliegenden, ursprünglich wohl ca. 36 cm. hohen Statuette dürfte in einem solchen Lararium der Villa gestanden haben.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden (je sechs pro Seite). Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013