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Fibel

Europäischer Kulturpark Reinheim


Herstellung: von bis

Merkmale

Inventarnummer:
2013REI0369
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Fibel
weitere Objektbezeichnung:
Millefiorifibel
Sachgruppe:
Kleidung (Zubehör, Fibeln)
Material:
Glas (Millefioriglas)
Technik:
aufgeschmolzen (Millefioriglas)
gegossen
Maße:
Gesamt: D: 3,4 cm, L: 3,9 cm (mit Öse)

Beschreibung

Millefiorifibel (Scheibenfibel mit Backen-Scharnier).

Die Fibel wurde im Zuge der Ausgrabungen im Bereich der Villa rustica in Reinheim gefunden.

Unter diesem Typ werden millefioriverzierte Scheibenfibeln mit Backenscharnier zusammengefasst. Es handelt sich um runde Fibeln mit Glaseinlagen in Millefioritechnik in leicht erhöhten Ringfeldern, welche vom Aussehen her mit runden Emailfibeln mit abwechselnden Farbfeldern (Riha Typ 7.13) verwandt sind.
Zur Millefioritechnik:
Der Begriff ist italienisch und bedeutet "tausend Blumen". Millefioriglas wird seit der Antike hergestellt, indem entweder ein Glasstab mit immer neuen, verschiedenfarbigen Glasschichten überzogen wird, oder mehrere bunte Glasstäbe zu einem größeren verschmolzen werden. Anschließend werden von diesen Stäben Plättchen, Scheiben oder Bänder abgeschnitten, welche in einer Form - im Falle von Fibeln in viele Felder unterteilt - ausgelegt und dann langsam geschmolzen werden.
Das vorliegende Exemplar besitzt eine flache runde Scheibe, welche durch zwei Stege getrennt in drei konzentrische Zonen bzw. Kreisfelder mit eingelegten Millefioriplättchen untergliedert ist, und einen scheibenartigen zentralen Mittelknopf auf hohem Stiel. Der Randsteg ist mit geritzten Strichen verziert. Auf einer Seite weist die Fibel - in der verlängerten Achse der Nadel - eine runde Öse auf. In der äußeren und der mittleren Kreiszone befinden sich Plättchen mit schwarzweißem Schachbrettmuster in entweder weißen, hellblaugrünen und roten Rahmen oder ohne einen solchen. Das innere Ringfeld ist einfarbig hellblau. Der erhöhte Mittelknopf scheint ursprünglich ebenfalls Einlagen in Millefioritechnik oder Emaille besessen haben. Der Nadelhalter ist kreisförmig durchbrochen.
Das Objekt weist leichte Korrosionsspuren auf - die Nadel und größere Teile der Millefiori-Einlagen fehlen. Ansonsten ist die Fibel gut erhalten.
Nach Riha und Heynowski gehören Fibeln dieses Typs in das Ende des 2. und die erste Hälfte des 3. Jh. n. Chr. und waren in allen römischen Provinzen verbreitet.
Die Fibel entspricht dem Typ Riha 5.14.2, Nr. 1621; Heynowski, Typ 4.2.2.2 (Millefiorifibel).

Bei Fibeln handelt es sich um Gewandspangen - mit ihnen wurden in der Antike Gewänder zusammengehalten. Sie gehörten sowohl bei Frauen als auch bei Männern zur alltäglichen Tracht und fanden dementsprechend allgemeine Verbreitung. Über ihre rein praktische Funktion hinaus waren sie in ihren stilistischen Ausformungen nach Typ und Aussehen wechselnden Modeerscheinungen unterworfen, weshalb sie sich sehr gut zur Datierung entsprechender Fundschichten und Fundzusammenhänge eignen.

Zur Villa:
Die Villa wurde in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ca. 300 m nördlich des kurz zuvor entstandenen vicus von Bliesbruck über einer Nekropole aus der späten Bronze- und Eisenzeit errichtet. Das ländliche Domizil weist eine Gesamtgröße von 7 ha auf und gliedert sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich (pars urbana) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales, von einer Mauer umschlossenes Hofareal (pars rustica)mit zwölf Wirtschaftsgebäuden. Dies entspricht einem charakteristischen Bautypus der gallischen und germanischen Provinzen, welcher im römischen Mutterland nicht vorkommt und auf einheimisch-keltische Traditionen zurückgeht. Bisher sind über 130 solcher Villenanlagen bekannt. Die Villa von Reinheim überragt die anderen lokalisierten Anwesen der Umgebung an Größe und Repräsentation und streicht so den privilegierten Status seiner Erbauer heraus (soziale Oberschicht Ostgalliens). Nach teilweiser Zerstörung und einem erweiterten Wiederaufbau zu Ende des 2. Jh. n. Chr. erreichte die Anlage ihren repräsentativsten und herrschaftlichsten Charakter. Durch die Germaneneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jh. und der Mitte des 4. Jh. n. Chr. erfuhr die Villa zunächst Funktionsänderungen, bevor sie nach Zerstörungen ganz aufgegeben wurde.
Das Hauptgebäude weist einen H-förmigen Grundriss auf, erstreckt sich über 80 x 60 m und verfügte in seiner größten Ausbauphase im frühen 3. Jh. n. Chr. allein im Erdgeschoss über 50 Räumlichkeiten, die zusammen mit Gängen und Portiken eine Fläche von 2.550 m² einnahmen.
Der mauerumstandene Wirtschaftshof schloss sich südlich an das Hauptgebäude an, maß 300 x 135 m und nahm eine Fläche von 4,5 ha ein. Während sich an den Längsseiten parallel zueinander die jeweils sechs Nebengebäude reihten, befand sich in der Mittelachse im Süden ein Torhaus (Gebäude B1 - B13).

Literatur

Riha, Emilie: Die römischen Fibeln aus Augst und Kaiseraugst, 1979, S. 189-190, Abb. Tafel 61, Werkverzeichnis Nr. 1621
Heynowski, Ronald: Fibeln. erkennen - bestimmen - beschreiben (=Bestimmungsbuch der Archäologie, 1), Berlin - München: Deutscher Kunstverlag, 2012, S. 129, Abb. Nr. 4.2.1.2
Stinsky, Andreas: Die Villa von Reinheim. Ein ländliches Domizil der gallo-römischen Oberschicht, Mainz, 2016
Sarateanu-Müller, Florian: Die Villenanlage von Reinheim (=Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. 2500 Jahre Geschichte. Dossiers d'Archéologie, Sonderheft Nr. 24), 2013