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Statuette des Genius

Römermuseum Schwarzenacker


Herstellung: Original: ca. 30-275 n. Chr. (frühe bis mittlere römische Kaiserzeit)
von: Baltes, Rainer als Hersteller
in: Schwarzenacker

Merkmale

Inventarnummer:
2008RMS0189
Anzahl:
1 Stück
Objektbezeichnung:
Statuette des Genius
Ikonografie:
Material:
Eisen (Szepter)
Bronze (Original)
Silber (Original Augen)
Technik:
gegossen
bemalt (Kopie)
silbertauschiert (Original)
Maße:
Gesamt: H: 2,2 cm (Sockel), D: 9,7 cm (Sockel), H: 23,6 cm (Statue)

Beschreibung

Abguss einer Statuette des Genius populi Romani, im Original aus patinierter Bronze mit Silbereinlage. Die Plastik ist aufgrund ihrer hohen Detailwiedergabe ein Meisterwerk der römischen Kleinkunst.

Der Gott in der Gestalt eines Jünglings steht aufrecht und hält in der erhobenen rechten Hand ein Langszepter, die linke mit gespreizten Fingern hielt ein nicht mehr erhaltenes Füllhorn. Ein über den Rücken geschlungenes Manteltuch lässt Brust und Arme frei, es ist auf der Schulter gebauscht und über den linken Arm gerafft. Eine breite Bahn geht über den Leib. Das linke Bein ist leicht eingeknickt, weswegen sich der Körper ein wenig nach rechts über das Standbein neigt. Die Stiefel bestehen im Original aus angeschmiedetem Kupferblech. Sie haben keine Kappen, sondern seitliche Laschen. Die Zehen liegen frei. Das Haupt ist leicht nach rechts gedreht. Das Haar besteht aus einem feinen Lockenkranz, der Haarschopf auf dem Hinterkopf ist wirbelförmig. Auf der Stirn zeigt sich eine leichte Falte, der Mund ist leicht geöffnet, die Augen sind im Original mit Silber eingelegt. Als Postament diente eine zweiteilige Platte mit doppeltem Wulst in Gestalt einer attischen Basis, deren unterer Teil ein Lotos-Palmetten-Ornament bedeckt.

Im Original ist die Figur in mehreren Teilen gegossen und montiert. Die Gussblasen waren sorgfältig ausgebessert. Die Kopie besteht aus schwarz bemaltem Gips, das Langszepter ist aus Eisen.

Nach den Vorstellungen der Römer besaß jeder Mann einen ihm eigenen und unveräußerlichen Genius, der seine Persönlichkeit und speziell die ihm innewohnende Kraft zur Zeugung von Nachkommenschaft repräsentierte. Die Frauen hatten keinen Genius, sondern eine persönliche Iuno.

Aber auch Körperschaften, Vereine, Verbände und Orte konnten einen Genius besitzen. Die höchste Ausprägung des Geniuskultes waren der Genius Urbis Romae (Genius der Stadt Rom) sowie der Genius Populi Romani (Genius des römischen Volkes). Nach den Angaben des Historikers Cassius Dio existierte für diese ein Tempel in Rom und am 9. Oktober war im Kalender ein Opferfest für sie verzeichnet. Die Akten der Sakralbruderschaft der Arvalen zählten den Genius des römischen Volkes den Göttern zu. Im 4. Jhdt. n. Chr. wurden am 11. und 12. Februar die ludi Genialici (Spiele zu Ehren der Genien) gefeiert.

Eine ähnliche Darstellung des Genius populi Romani, ebenfalls als jugendlicher Heros, bartlos, mit langen Locken und athletischem Körper, ist zusammen mit dem Genius Senatus als Begleiter des Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.) auf dem berühmten Cancelleria-Relief A zu sehen, das in den Vatikanischen Museen zu besichtigen ist.

Nach H. Kunckel wurde die originale Statuette ausgehend von der linearen Gewandbehandlung, dem schwer lastenden Stand und der aufgelockerten Behandlung von Brustmuskulatur und Haar in der späten Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.) geschaffen (siehe Literatur: Kunckel 1974, 34). Sie fand sich im so genannten Säulenkellerhaus des Vicus von Schwarzenacker, das einer Kultgemeinschaft als Versammlungsort diente. Das Haus wurde zusammen mit dem Vicus beim Einfall von Alamannen im Jahre 275 n. Chr. zerstört, die Statuette war also schon längere Zeit im Gebrauch, als sie in die Erde kam. Sie lag dicht bei einer Statuette der römischen Siegesgöttin Victoria (2008RMS0200). Aufgrund der kultischen Bedeutung beider Gottheiten dürfte die Kombination von Genius populi Romani, der die Stärke des römischen Volkes symbolisierte, und der Victoria kein Zufall sein. Ironischerweise blieben beide Statuetten infolge der Zerstörung des Vicus durch die Germanen erhalten.

Literatur

Kolling, Alfons: Eine römische Bronzestatuette aus Schwarzenacker. Die Römerstadt bei Schwarzenacker. Beiträge zu neuen Forschungen, Saarbrücken, 1966, S. 10f.
Kolling, Alfons: Eine römische Bronzestatuette aus Schwarzenacker (= Saarheimat, 10), Saarbrücken, 1966, S. 199f.
Kolling, Alfons: Der römische Statuettenfund von Schwarzenacker (= Bericht der Staatlichen Denkmalpflege im Saarland, 14), 1967, S. 15-20, Abb. Tafel 2-10
Kolling, Alfons: Die Bronzestatuetten aus dem Säulenkeller (= Forschungen im römischen Schwarzenacker, I), 1967, S. 17ff.
Doppelfeld, Otto (Hrsg.): Römer am Rhein. Ausstellung des Römisch-Germanischen Museums Köln. Kunsthalle Köln 15. April bis 30. Juni 1967, Köln, 1967, S. 329, Abb. Tafel 122-123
Kolling, Alfons: Bronzestatuetten (= Die Römerstadt Schwarzenacker, II), Saarbrücken, 1975, S. 10-15, Abb. Nr. 1-6
Kolling, Alfons: Funde aus der Römerstadt Schwarzenacker und ihrer nahen Umgebung. Bilder und Texte, Homburg, 1971, S. 54f., Abb. Tafel 71-75
Kolling, Alfons: Die Römerstadt in Homburg-Schwarzenacker, Homburg-Saarpfalz, 1993, S. 112f., Abb. Tafel 1; 107-108
Kunckel, Hille: Der römische Genius (= Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung, Ergänzungs-Heft, 20), S. 34; 79, Abb. Tafel 14-15, Katalog Nr. P 2
Menzel, Heinz: Römische Bronzestatuetten und verwandte Geräte (= Aufstieg und Niedergang der römischen Welt), 1985, S. 127-169, Abb. Tafel 16